Von Lilly Nielitz-Hart
RÜSSELSHEIM . „Radschnellwege“ oder „Raddirektverbindungen“, wie die Fahrradautobahnen im Beamtendeutsch auch genannt werden, sind für Rüsselsheim momentan noch Zukunftsmusik. Dies ergab sich aus dem Vortrag von Joachim Hochstein, den der Verein Energiewende Rüsselsheim zur seiner diesjährigen Jahreshauptversammlung als Referenten eingeladen hatte.
Zum Vortrag hatte sich der Hinterraum im Rüsselsheimer Bräu mit vielen Zuhörern gefüllt, darunter auch Reinhard Ebert vom Amt für Umwelt und Planung. Die Rüsselsheimer Radverkehrsbeauftragte Brit Scherer berichtete, dass sie momentan das bestehende Radkonzept aus dem Jahr 1996 sichtet. „Es muss nun mit Blick auf neue Vorschriften und auf Lücken geprüft werden. Zusammen mit dem Kreis wollen wir, auch mit einem Hinblick auf Fördergelder, ein neues Konzept erstellen“, sagte sie.
Strecke von Darmstadt nach Frankfurt als Testballon
Spätestens bei Hochsteins Vortrag stellte sich jedoch heraus, dass es sich bei der Planung von Radschnellwegen um ein komplexes Thema handelt, das weit über die Fragen einfacher Verbesserungsmaßnahmen hinausgeht. Der Leiter des Radfahrbüros Frankfurt und Mitgründer des ADFC Rüsselsheim berichtete über das in Planung befindliche Radverkehrskonzept für Frankfurt und die Rhein-Main Region, das ein breites Netz aus Fahrradautobahnen vorsieht, die aus allen Himmelsrichtungen sternförmig auf Frankfurt zulaufen. „Testballon“ sei dabei die Strecke von Darmstadt nach Frankfurt, deren Teilstück Egelsbach nach Erzhausen noch in diesem Jahr begonnen wird. „Die Straßen- und Schieneninfrastruktur stößt momentan überall an ihre Grenzen“, sagte Hochstein. „Radschnellwege sollen ein Rückgrat der Mobilität werden und wie eine Autobahn Ziele anbinden“. Sie richten sich an Fahrradpendler, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 bis 25 Kilometer pro Stunde, daher werden in die Machbarkeitsstudien auch Pedelecs einbezogen. Auf entsprechenden Strecken und mit dem richtigen Untersatz könnten Fahrtzeiten halbiert werden, wodurch man viele Pendler gewinnen könnte. Dabei geht es um eine planfreie Lösung, das heißt der Fahrradfahrer soll eine durchschnittliche Geschwindigkeit halten können und nicht durch Hindernisse aufgehalten werden. Hierfür müssen an Knotenpunkten Brücken oder Unterführungen gebaut werden, die erheblich ins Geld gehen. Hinzu kommen Herausforderungen bei Beleuchtung, Sichtbarmachung durch Markierungen und vor allem Probleme mit der Streckenführung durch Bannwaldgebiete oder entlang des lärmgeplagten Flughafengebiets und an Autobahnen.
Für Rüsselsheim böten die Fußwege entlang des Mains die beste Ausbauperspektive: „Die Uferwege sind der Radschnellweg schlechthin“, sagte Hochstein. Als Vorzeigebeispiel interkommunaler Kooperation lobte er die ästhethisch gelungene Ölhafenbrücke Raunheim-Kelsterbach, die durch Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalverbundes verwirklicht wurde.
KONTAKT
Der Verein Energiewende will 2018 sein Augenmerk auf den Radverkehr als wichtigen Bestandteil umwelfreundlicher Mobilität richten und hat mehrere Radwanderungen durch Rüsselsheim geplant.
Weitere Informationen zu Fahrradautobahnen im Ballungsraum Rhein-Main gibt es unter: www.region-frankfurt.de/radschnellwege und bei der AG Nahmobilität Hessen (AGNH) unter: www.mobileshessen2020.de . (Inh)